Physiotherapeuten verringern mit Spiegeltherapie Schmerzen und verbessern die Funktion. Menschen nach einem Schlaganfall profitieren besonders.

 

Der aus Indien stammende Neurologe Vilayanur S. Ramachandran führte die Spiegeltherapie erstmals Anfang der 90er Jahre mit Patienten nach Amputationen durch. In ersten Versuchen zeigte sich schon bald eine Reduzierung der Phantomschmerzen. Ramachandran setzte die Spiegeltherapie daraufhin auch bei Patienten nach einem Schlaganfall ein.

Heute weiß man, dass neben den Patienten nach Gliedmaßamputationen besonders Menschen nach Schlaganfällen von der Spiegeltherapie profitieren (vgl. Thieme et al. 2012). Nach einem Schlaganfall können je nach Lokalisation verschiedene Schädigungen mit unterschiedlicher Ausprägung auftreten. Über siebzig Prozent der Betroffenen weisen motorische Beeinträchtigungen der oberen Extremität (Hand, Arm, Schulter) auf (Lawrence et al. 2001). Somit sind Menschen nach einem Schlaganfall besonders stark in den Basisaktivitäten des täglichen Alltags und in der Teilhabe am sozialen Leben eingeschränkt. Ute Repschläger, Vorsitzende des Bundes¬verbands selbstständiger Physiotherapeuten – IFK e. V., ergänzt: „Physiotherapeuten können hier mit der Spiegeltherapie zielgerichtet und effektiv helfen."

Bei der Spiegeltherapie wird ein Spiegel in die Mitte zwischen linker und rechter Körperhälfte platziert, so dass die betroffenen Gliedmaßen verdeckt sind. Durch den Spiegel wird dem Patienten die optische Illusion vermittelt, dass sein verdeckter Körperteil vorhanden bzw. normal beweglich sei. Durch nun durchgeführte Übungen mit der gesunden Hand wird der Teil des Gehirns aktiviert, die den im Spiegel sichtbaren Arm kontrolliert. Das Gehirn unterliegt in dem Fall der Illusion, das fehlende oder verletzte Körperteil ist jenes im Spiegel und ist wieder funktionsfähig oder vorhanden.

Das Gehirn lernt um

Forscher vermuten, dass es dabei zu einer direkten Aktivierung der betroffenen Gehirn-Hemisphäre kommt, die wiederum die Reorganisationsprozesse dieser Seite fördern könnte. In einer Untersuchung an der Universität Wien konnte mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) bei einer allerdings kleinen Stichprobe von Patienten nach Gliedmaßamputation festgestellt werden, dass eine deutlich erhöhte Aktivität im Stirn- und Schläfenlappen, Zentren die normalerweise nicht für Motorik zuständig sind, zu beobachten waren (vgl. Seidel et al. 2012). Zusätzlich verringerte sich die mittlere Intensität des Phantomschmerzes deutlich.

Deutsche Physiotherapeuten maßgeblich beteiligt

Zur Prüfung der Wirksamkeit der Spiegeltherapie liegen mittlerweile einige Untersuchungen vor. Laut einer von deutschen Physiotherapeuten publizierten Cochrane-Übersichtsarbeit, ist die Spiegeltherapie effektiv bezüglich der anhaltenden Steigerung der motorischen Funktionen, der Verbesserung der Basisaktivitäten im Alltag und zur Schmerzreduktion nach einem Schlaganfall (vgl. Thieme et al. 2012). Zur Durchführung der Spiegeltherapie werden eine ruhige Atmosphäre und eine Übungszeit am Stück von 10-15 Minuten empfohlen. Die Konzentration des Patienten ist in dieser Zeit gefordert, in dem er sich völlig auf die durch den Spiegel erzeugte Illusion einlässt. Dabei beginnt der Patient, einfache Bewegungen mit der gesunden Hand durchzuführen und beobachtet diese im Spiegel. Ute Repschläger ergänzt: „Das Training geschieht zunächst unter Anleitung des Physiotherapeuten und wird von einfachen Handbewegungen bis zu komplexeren Handlungen dosiert". Thieme und Kollegen (2012) fanden in einer Therapiestudie heraus, dass Spiegeltherapie auch zusätzlich als alternative Behandlungsoption als Gruppenbehandlung oder als Eigentraining zu Hause möglich und effektiv ist.

 

Quelle: IFK

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